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Möbelproduktion im Alleingang: die Geschichte der Schreinerei Wessels

Woher kamen eigentlich Einrichtungsgegenstände in einer Zeit, als es weder große Möbelhausketten, noch eine nennenswerte Möbelindustrie gab? Für den ländlichen Raum liefert die Geschichte der kleinen Möbel- und Bauschreinerei Wessels, die sich einst im heutigen Münster-Roxel befand, ein anschauliches Beispiel.

Als 1940 Heinrich Wessels nach dem Tod seines Vaters endgültig dessen Betrieb übernahm, ging die Schreinerei bereits in die dritte Generation über. Sein Großvater Anton, ein gelernter Schreiner, hatte das Gebäude samt zugehörigem Hof 1853 gekauft.

Bernard Wessels vor seiner Werkstatt

Bernard Wessels (links) vor seiner Werkstatt Anfang des 20. Jahrhunderts. Mit seinem Tod im Dezember 1940 ging der Betrieb in die dritte Generation über.

Fortan sicherten neben den Schreinereierzeugnissen auch landwirtschaftliche Erträge den Lebensunterhalt der Familie. In seiner Werkstatt ging Anton Wessels mit jeweils einem Lehrling zu Werke, die er im Drei-Jahres-Rhythmus ausbildete.
Nach seinem Tod im Jahr 1891 ging der Betrieb an seinen Sohn Bernard Wessels über, der eine Zimmermannsausbildung absolviert hatte. Die Folgejahre wurde der Betrieb sowohl baulich als auch personell vergrößert. Die Werkstatt bekam mehr Raum und es wurden mehrere Hilfskräfte angestellt, sodass die Hausgemeinschaft zusammen mit der Familie auf zeitweise zehn Personen anwuchs.

Schild der Schreinerei Wessels
Bildnachweis: LWL-Freilichtmuseum Hagen, Foto: Heike Wippermann

Schild der Schreinerei Wessels. Während ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem in den Großstädten zwischen Bau- und Möbelschreinerei unterschieden wurde, gab es diese Trennung bei den Landhandwerkern nicht.

Sein Sohn Heinrich führte die Werkstatt ab Mitte der 1920er-Jahre als kombinierten Zimmermanns- und Schreinerbeitrieb in Eigenregie weiter, verlagerte sich aber zunehmend auf die Bau- und Möbeltischlerei mit Schwerpunkt Möbelproduktion und –reparatur. Zu seinen Erzeugnissen zählten unter anderem Truhen, Buffets, Kommoden, Sekretäre, Kleiderschränke, Sofas, Betten und vieles mehr. Im Bausektor spezialisierte er sich in erster Linie auf Fenster. Heinrich Wessels galt als ausgeprägter Einzelgänger, der seinen Betrieb im Alleinregie führte. Dies war nur möglich, weil er seine Werkstatt zunehmend maschinisierte.

Heinrich Wessels

Während sein Vater noch die Unterstützung von Mitarbeitern brauchte, kam Heinrich Wessels mit Hilfe von Bandsäge, Fräsmaschine und Abricht-Dicktenhobelmaschine alleine zurecht.

Die von ihm hergestellten Waren wurden zunächst per Pferdefuhrwerk, später via LKW zu den Kundinnen und Kunden geliefert, wo er die größeren Möbelstücke aus vorgefertigten Einzelteilen zusammensetzte. Sein Arbeitstag war selten kürzer als 12 Stunden. Sein Kundenstamm setzte sich aus den örtlichen Landwirten und Gewerbetreibenden der näheren Umgebung zusammen.

Mit Erreichen des Rentenalters stellte Heinrich Wessels Anfang 1958 den Betrieb ein und nahm nur noch gelegentlich kleinere Reparaturaufträge von Freundinnen und Freunden an. Fortan widmete er sich den schönen Dingen des Lebens und verbrachte viel Zeit mit dem Reisen und Lesen. Im hohen Alter von 95 Jahren kam er 1987 bei einem tragischen Verkehrsunfall ums Leben.

Möbelproduktion im Alleingang

Wichtige Meilensteine in der Betriebsgeschichte der Schreinerei Wessels im Überblick:

1853

21. Mai 1853: Erwerb von Haus und Hof in Altenroxel durch Anton Wessels mit einem Kotten Grundstück.

Unter Anton Wessels werden Lehrlinge im Dreijahresrhythmus ausgebildet.

1891

Nach dem Tod seines Vaters übernimmt Bernard Wessels den Betrieb.

Einige Jahre später geht der Familienbesitz auf ihn über, das Anwesen hatte sich seit dem Kauf um Zubauten erweitert. Zwei Hilfskräfte sorgen für eine Aufstockung der Betriebsgröße.

1903

Umsetzung eines Speichers (zweistöckiges Fachwerkgebäude) aus dem Stevertal bei Nottuln nach Altenroxel zur Vergrößerung der Werkstattfläche

ab 1924

Heinrich Wessels wird letzter Inhaber des Betriebs.

Betriebliche Ausrichtung auf Bau- und Möbeltischlerei mit dem Schwerpunkt auf Möbelproduktion (Reparaturen und Neuanfertigungen; Haushaltwaren und Aussteuergaben)

Führung im Alleinbetrieb

Trotz angespannter Finanzlage folgt eine Mechanisierung seines Gerätebestandes (Bandsäge, Fräsmaschine, Abricht-Dicktenhobelmaschine)

Fokussierung auf Reparaturarbeiten

1958

Einstellung des Betriebs

Literatur

  • Westfälisches Freilichtmuseum Hagen – Landesmuseum für Handwerk und Technik (Hg.): Hobelknecht und Späne. Arbeitsplatz: Schreinerei. Forschungsbeiträge zu Handwerk und Technik 3. Hagen 1991.

Die Schreinerei mit der Gebäudenummer A9 finden Sie im oberen Museumsbereich.

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